NoBillag?

Es wird viel diskutiert über diese Initiative. Wie meistens, bilde ich mir meine Meinung aufgrund der Argumente derjenigen Seite, die nach meinem aktuellen Wissensstand nicht meine bisherige Ansicht vertritt. Diesmal sind das die Initianten. Was sagen die?

Pauschalaussagen der Initianten

  • "Die Initiativgegner wollen uns jetzt Angst machen“ und „die aktuelle Situation ist sozialistisch und eine Bevormundung“. Aus ‚sozialistisch‘ und ‚Bevormundung‘ höre ich Angstmacherei heraus. Beide Seiten also operieren damit; ein wertloses Argument. Erstaunlich finde ich, dass Angstmacherei normalerweise das bevorzugte Instrument der stärksten Partei hinter NoBillag ist.
  • Wer will, dass sich nichts ändert, stimmt Nein, wer will, dass sich etwas ändert, stimmt Ja“. Diese grob vereinfachende Unterstellung irritiert mich. Weshalb wird ausgeschlossen, dass sich auch ohne Annahme der Initiative etwas ändert?

Differenziertere Aussagen

  • Die Inhalte der SRG-Programme werden in Zukunft bedarfsgerecht durch anders finanzierte Sender geliefert“. Welche Realität lässt dies vermuten? Ich vermute eher folgendes:
    • Sport - die grossen Vermarkter von internationalen Senderechten werden wenig Lust haben, mit vielen kleinen CH-Sendern über die Ausstrahlung von Skirennen, Tennis- und Fussballturnieren, etc. zu verhandeln. Wir werden also diese Veranstaltungen, falls überhaupt, auf ausländischen Sendern verfolgen.
    • Information - was passiert, wenn es keinen Verfassungsauftrag zur ausgewogenen Information gibt, zeigt die Situation der USA.
    • Unterhaltung - da trifft die bedarfsgerechte, bezahlte Versorgung zu, schon heute, in marktwirtschaftlicher Konkurrenz zur bestehenden SRG.
  • Solange es ein ausfinanziertes Staatsfernsehen gibt, lohnt sich der Aufbau einer privaten Konkurrenz nicht“.
    • Der Um-, wenn nicht Rückbau der SRG wird erst mal Werte und Arbeitsplätze vernichten. Dann muss erst der Wiederaufbau entsprechender Programme auf privater Basis finanziert werden. Also letzten Endes vom Volk, das die Initiative angenommen hat.
    • Wenn der Wiederaufbau abgeschlossen ist, ist die Konkurrenzsituation wieder ganz ähnlich: Neueintritte sind schwer zu finanzieren. Rechtfertigt dies den Umbauverlust?
  • Der Lacher schlechthin: "Dass die SRG die Mehrsprachigkeit der Schweiz adäquat bedient, stimmt nicht: Es gibt auch viele die z.B. Türkisch oder Portugiesisch sprechen, für die tut man nichts..." ... kein Kommentar.

Was sagen sie nicht?

  • Die Bundesverfassung muss nicht geändert werden, um die Konzessionsgebühren zu senken (die Billag, nach der der populistische Name der Initiative stammt, wird es im 2019 sowieso nicht mehr geben 😉)
  • Durch den Wegfall des Verfassungsauftrags bleiben die Inhalte der Fernsehprogramme rein den Kostenträgern überlassen. Wer zahlt, bestimmt, was kommt.
  • Neben Pay-TV, Staat, und Werbung gibt es eine 4. Finanzierungsquelle für Fernsehsprogramme: Finanzstarke Personen bzw. Inhaber von Sendestationen (natürliche und juristische). Warum wird das in der Zukunftsprognose nicht erwähnt?
  • Economies of Scale mögen von der SRG schlecht genutzt werden; bei einer Umstellung auf neue, vorerst kleine Konkurrenten fallen sie ganz weg.
  • Werbeeinnahmen werden mit höchster Wahrscheinlichkeit zu bestehenden Sendern mit grosser Reichweite fliessen. Das sind heute vor allem ausländische Privatsender mit Schweizer Werbefenstern. Dann würden die in der Schweiz angebotenen Programminhalte von ausländischen Unternehmen bestimmt.
  • Etwas kompliziert: Fernsehsender kommen nur dann in den Genuss von bezahlbaren Ausstrahlungsrechten, wenn sie beweisbar ein entsprechend kleines Empfangsgebiet haben. Bei nationaler Verteilung über Internet oder Kabelnetze ist das gegeben. Die Verschlüsselungstechologie mit Smart-Card dient bei Sat-TV genau dieser Beschränkung der Anzahl möglicher Empfänger.  Sat-TV ist der einzige Weg, auf dem Auslandschweizer die CH Programme empfangen können. Werden die neuen, privat finanzierten Sender diese Technologie nutzen? Wahrscheinlicher ist, dass die Auslandschweizer ohne Empfangsmöglichkeit von CH-Programmen bleiben.

Meine Schlussfolgerung

Am Ende stellt sich bei mir folgender Eindruck ein: Die Argumentation, wie auch der kürzlich von den Initianten vorgelegte "Plan B" zuhanden der SRG sind reich an Behauptungen, Widersprüchen, undifferenzierten Aussagen. Diese Argumentation kann nicht der wahre Grund für die Initiative sein - ausser die Initianten sind dumm, was ich nicht glaube. Ich vermute statt dessen eine hidden Agenda: Den Verfassungsauftrag einer ausgewogenen Information und die Finanzierung des Auftragnehmers streichen; dann werden Gelder und insbesondere der Weg frei für Fernsehprogramme, über die finanzstarke Personen und Unternehmen ihre Meinung verbreiten ('Modell' USA).

Mein Nein ist gewiss.

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